Eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass mehr als 30% der amerikanischen Schottlandreisenden der Meinung waren, Haggis wäre eine echte Kreatur, die wegen ihrer Schmackhaftigkeit in den schottischen Highlands gezüchtet wird. Postkarten von einem kleinen und rundlichen, vogelähnlichen Tier mit ungleichen Beinen haben dazu beigetragen, den Witz aufrecht zu erhalten (die Beine auf einer Seite eines Haggis mussten angeblich länger sein, als auf der anderen Seite, damit das Tier auf den steilen Hügeln in den Highlands laufen konnte, ohne umzufallen).
Tatsächlich ist Haggis ein mit Innereien gefüllter Schafsmagen. Die Ehefrauen der schottischen Viehhirten gaben ihren Männern in Schafsmägen verpacktes, gehacktes Herz, Leber und Lunge für ihre lange Reise auf die Viehmärkte in Edinburgh mit. Das Wort Haggis kommt vom altnordischen Wort „haggw“, was so viel bedeutet, wie behauen oder hacken.
Für das traditionelle Haggis-Rezept nimmt man Innereien und mischt sie mit Zwiebeln, Haferflocken, Rindertalg, Gewürzen und Salz. Weitere mögliche Zutaten sind getrockneter Koriander, Zimt und Muskatnuss.
Ursprünglich wurde es immer gekocht, heutzutage aber auch gebacken oder frittiert. Außerdem wurden Rezepte für koscheres und vegetarisches Haggis – mit Hülsenfrüchten, Nüssen und Gemüse anstelle von Fleisch – entwickelt.
Obwohl es das traditionelle Gericht für die Burns Night (25. Januar) ist, bekommt man Haggis in Schottland mittlerweile das ganze Jahr über. Supermärkte verkaufen es in Kunststoff verpackt aus der Kühltheke, aber auch in Dosen oder sogar in mikrowellentauglichen Behältern.
Im Writers' Museum im Lady Stair’s Close können Sie den Schreibtisch sehen, an dem Robert Burns (1759-1796) so viele seiner Gedichte schrieb, darunter auch das berühmte „Address to a Haggis“, das in jeder Burns Night (25. Januar) von Gästen des Abends gelesen wird. Es ist etwas ungewöhnlich für ein Volk, den Geburtstag ihres nationalen Dichters mit einem Abendessen zu feiern, wo immer sie in der Welt auch sind. Besonders ungewöhnlich aber ist, dass eines der bekanntesten Werke des Dichters ein Lobgedicht auf eine Kugel mit Innereien ist. Die jährliche Zeremonie beginnt damit, dass das Gericht, begleitet von einem Dudelsackspieler serviert wird. Danach beginnen die acht Strophen der spöttisch-heroischen Anrede mit den Worten: Fair fa' your honest, sonsie face/Great chieftain o' the pudding-race!
Traditionell zieht und schärft der Gastgeber bei der Zeile: „His knife see rustic Labour dight“ sein Messer, und taucht es bei der Zeile: „An' cut you up wi' ready sleight“ in das Haggis, um es von einem Ende zum anderen aufzuschneiden.
Es gibt drei wesentliche Beilagen zu Haggis. Whisky, das Nationalgetränk von Schottland, kommt immer für einen Toast auf das Gericht zum Einsatz, das dann mit Neeps (Rüben- oder Steckrübenpüree) und Tatties (Kartoffelbrei) gegessen wird. Beide können jeden Samstagvormittag auf Edinburghs malerischem Grassmarket – dem traditionellen Gelände eines Viehmarkts – gekauft werden.
In Schottland werden Kartoffeln und Steckrüben traditionell getrennt gekocht und püriert und zu Tatties und Neeps verarbeitet, aber die Steckrüben können auch mit den Kartoffeln vermischt werden.
Das Ganze nennt sich dann „Clapshot“. Steckrüben haben eine lange Tradition in Großbritannien und Irland, wo im Mittelalter aus dem Gemüse Laternen geschnitzt wurden, um böse Geister zu vertreiben. In Schottland liefen Kinder mit scheußlichen Masken aus geschnitzten Rüben namens „Tumshie Heids“ durch das Dorf und spielten eine frühe Version von Trick-or-Treat (Süßes oder Saures).
Obwohl Kartoffeln in ganz Großbritannien verbreitet sind, kommen die meisten britischen Pflanzkartoffeln aus Schottland - aus Gegenden, in denen der Westwind Blattlaus-Angriffe und damit die Ausbreitung von Kartoffelvirus-Erregern verhindert. Wie in Nord- und Südamerika, woher die Kartoffel stammt, wird dieses Gemüse am besten in nördlichen Klimazonen angebaut, wo kalte, harte Winter Schädlingen den Garaus machen und lange Sonnenstunden im Sommer für ein optimales Wachstum sorgen.
Einer der besten Orte, um Haggis in Edinburgh zu kaufen, ist Findlay’s of Portobello Ltd., eine familiengeführte Metzgerei in Portobello. Dieser Küstenvorort von Edinburgh war einst als Badeort bekannt, bevor alle Welt nach Spanien auf Urlaub fuhr. Der berühmte blau gestrichene Laden ist einen Block von der Promenade entfernt, und Findlay’s wird seit 1974 von hier aus betrieben.
Joe Findlay hat für viele seiner Produkte Preise gewonnen und hält Titel für Haggis, Blutwurst, Würstchen und Speck. „Alle unsere Rinder werden sorgsam von Farmen in Speyside ausgewählt, stammen aus Freilandhaltung und werden natürlich gefüttert“, sagt er. „Das Rindfleisch hängt dann mindestens zwei Wochen, damit das Fleisch reifen kann und sein Aroma verfeinert. Unser Schweinefleisch kommt von der Hillfoot Farm in Hawick, die frei laufende Tiere züchtet, aus denen alle unsere Würstchen und Speck hergestellt werden. Alle unsere Lämmer werden von den landwirtschaftlichen Betrieben in den Scottish Borders ausgewählt.“
In den letzten Jahren hat Joe Findlay glutenfreies Haggis entwickelt und bietet jetzt einen Online-Service mit einer garantierten Zustellung am nächsten Tag. Doch die Nachfrage nach Findlays Haggis ist so groß, dass man für die Burns Night eine Woche im Vorhinein (18. Januar) bestellen muss.
Eine der besten Bars, um Haggis in Edinburgh zu probieren, ist Deacon Brodie's Tavern an der Royal Mile. Es ist nach dem berüchtigten Edinburgher Einbrecher benannt, der Robert Louis Stevenson dazu inspiriert hat, Dr Jekyll and Mr Hyde zu schreiben. Die beiden Seiten des Pubschilds zeigen die gute und böse Seite von Deacon William Brodie.
Die Taverne befindet sich in den unteren beiden Etagen einer typischen sechsstöckigen Edinburgher Häuserreihe. Im Innenraum erweist sich das Pub als echt viktorianisch mit einer reich dekorierten Kassettendecke, Trinknischen und einer Bar mit zwölf Messingpumpen aus denen schottische Biere wie Caledonian 80, Flying Scotsman und Deuchars laufen.
Das Haggis hier wird ein bisschen im Nouvelle Cuisine-Stil serviert. Andere Edinburgher Gerichte sind Cranachan, das traditionelle schottische Dessert, hier mit Sahne, Honig, Whisky, Himbeeren und gerösteten Haferflocken, und der große britische Klassiker Fish and Chips, aus nachhaltig gefangenem Kabeljau. Weniger traditionell – aber auch einen Versuch wert – ist der Wildschwein- und Chorizo-Burger.