Die Menschen in Kopenhagen sprechen über „vor Noma“ und „nach Noma“. Die Wirkung von René Redzepi und seinem wegweisenden Restaurant auf seine Heimatstadt kann gar nicht genug betont werden. Noma war wie ein Erdbeben, das die Stadt aus ihren dumpfen kulinarischen Konventionen wachgerüttelt hat. Es hat Leute in die Stadt gelockt und eine große Welle von talentierten Köchen, Sommeliers, sowie Bar- und Serviceleuten dazu veranlasst, ihr eigenes Ding zu machen. Dieses Erbe begann, als die erste Post-Noma-Generation ausströmte, um ihre eigenen Restaurants zu eröffnen – Christian Puglisi und Kim Rosen bei Relæ und Søren Ledet bei Geranium - und feierte seine Blüte, als das Noma im Jahr 2010 das erste Mal den Spitzenplatz der World’s 50 Best-Liste eroberte. Redzepi zeigte seinen Kollegen, wie man sich von Regeln löst und seine eigene Richtung findet und wie man lokale Traditionen und Gegebenheiten feiert - was er Zeit und Ort nennt. Er spricht darüber, sich selbst treu zu bleiben. Das ist der rote Faden, der die ehemaligen Mitarbeiter des Noma zusammenhält, und zwar unabhängig davon, ob sie ein High-End-Restaurant betreiben, wie Torsten Vildgaard im Studio, oder Tacos an einem Marktstand verkaufen, wie die ehemalige Konditorin Rosio Sanchez.
Der ehemalige Noma Sous-Chef Puglisi, der drei Restaurants und einer Bäckerei seinen Namen gegeben hat, sagt, dass es keinen Sinn hat, zu tun, was alle anderen auch tun. Man muss etwas Besonderes tun und daran glauben. Diese Erkenntnis wird quer durch das ganze Gastrospektrum angewandt. Das bedeutet, es gibt viele Möglichkeiten, um den Noma-Effekt zu erkunden und zu erleben.
Die angesagteste Eröffnung des Jahres 2015 fand nicht in einem neuen Restaurant, sondern in einer zehn Quadratmeter großen Box außerhalb der Torvehallerne Markthalle statt. Mit seinen etwas mehr als 60 Ständen, die von Keksen über Entenconfit-Brötchen bis hin zu frischen Meeresfrüchten und Gewürzen so ziemlich alles anbieten, war der zentrale Markt bereits zuvor ein Magnet für Gourmets. Dann kam Rosio Sanchez und ihre Taqueria, Hija de Sánchez, und plötzlich gab es Warteschlangen rund um den Block und Promi-Köche - angeführt von ihrem ehemaligen Chef René Redzepi - die sich für einen Gastauftritt anstellten.
In der Folge in die Top-Ten der jungen Köche 2016 gewählt, wendete Sanchez alles an, was sie in Nomas Testküche gelernt hatte, um ihre Tacos zu perfektionieren. Weil sie mit der besten Tortilla beginnen, macht sie jeden Tag einen frischen Masa (Teig) aus Bio-Maismehl von einem kleinen Produzenten in Oaxaca, Mexiko. Der Belag variiert von einer traditionellen Chicken Mole (Hähnchen in Bananen-Tomatensoße) mit vielen verschiedenen Zutaten (etwa ein Dutzend Chilis gemischt mit Schokolade) bis hin zu vom Noma inspiriertem, knusprigem Kabeljau mit Tomaten- und Jalapeno-Salsa. Unter den Gastköchen fanden sich auch der Spaniener Paco Mendez und Zaiyu Hasegawa aus Tokyo. Redzepi ist ein regelmäßiger Gast. Vor kurzem fertigte er zwei Tacos mit Schweinefleisch und Krautsalat für 75 DKK (ca. £ 8) - etwa 1/25 des Preises von Nomas Degustationsmenü - im Akkord an. Im Frühjahr plant Sanchez einen zweiten Laden in Kødbyen zu eröffnen.
Der Weinimporteur Sune Rosforth hatte eine Reihe von Offenbarungen. Aber die bedeutendste war, als er erkannte, dass er nur biodynamische und biologische Weine trank und alles andere aus seinen Beständen verbannte. Im Jahr 2000 war das ein radikaler Schritt, aber er beharrte darauf und wurde tatkräftig unterstützt, als Restaurants wie das Noma Wein-Pairings einführten, die zu ihrer neuen nordischen Küche passten. „Niemand hätte jemals den Wein gewählt, mit dem ich handelte“, sagt Rosforth. Doch heutzutage ist Rosforth & Rosforth eine Institution in der Naturweinszene. Als Partner mit an Bord: der ehemalige Noma Sommelier Pontus Elofsson.
Im Sommer segeln sie eine Yacht voller Wein aus dem Loire-Tal in ihr Lager, das direkt am Wasser an einer von Kopenhagens geschäftigsten Brücken gelegen ist. Während die Lieferung von „freudebringendem Wein in wunderbare Restaurants“ ihre Hauptaufgabe ist, begrüßen sie auch Besucher in ihrem Laden. Vor allem an Samstagen, wenn Sie ein paar Orangenweine und einen frischen, fruchtigen, bodenständigen Rotwein von einem Hersteller wie Rafa Bernabé aus Alicante probieren können. Rosforth veranstaltet einen jährlichen Weinprobe-Event namens Vinduo mit einem anderen Importeur. Außerdem ist er Miteigentümer der Weinbar Den Vandrette, in der Nähe von Nyhavn, bei der sie Winzer-Abendessen organisieren, einen Beaujolais Nouveau-Tag feiern und auch sonst viel Spaß haben.
Christian Puglisi könnte einen Michelin-Stern auf seinen Namen im Relæ haben, aber das würde ihn nicht davon abhalten, 18 Monate damit zu verbringen, herauszufinden, wie man Mozzarella aus dänischer Milch und einen perfekten Pizzateig aus einer Mischung aus dänischem und italienischem Mehl macht. All das passierte nämlich, als er sein drittes Restaurant, das Bæst, nicht weit von seinem Haus in Nørrebro entfernt, eröffnete. Die Mission der angrenzenden Bäckerei bestand zunächst darin, das hefefreie Sauerteigbrot zu perfektionieren, das schon in seinen anderen Küchen sehr beliebt gewesen war, und sich dann in der Herstellung von hausgemachten Teigwaren zu versuchen. Die großen rustikalen Brotlaibe aus dem Mirabelle mit knuspriger - fast verbrannter - Kruste und feuchter, teigiger Mitte werden per Kilo verkauft. Außerdem Croissants, die mehr gesund als klassisch sind und mit weniger Butter gemacht werden als normalerweise. Teigwaren wie Spaghetti und Rigatoni werden jeden Tag aus frisch gemahlenem Mehl zubereitet und können mit täglich wechselnden Saucen im Restaurant gegessen oder zum Mitnehmen eingepackt werden. Wie die Pizzen, die nebenan im Bæst verkauft werden, stecken in den Pastagerichten im Mirabelle viele lokale Produkte und nur wenige cremige Saucen. Sie sind auch sehr günstig. Es gibt eine Straßenverkauf für Speisen zum Mitnehmen (inklusive Kaffee) und einen Tischservice im Café, das den ganzen Tag geöffnet ist.
Dieses französisch inspirierte Café ist der bevorzugte Ort für einen To-Go-Lunch für Noma-Mitarbeiter an ihrem freien Montag. Frederik Bille Brahe vom Atelier September hält es einfach: Es gibt täglich nur ein vegetarisches Gericht
– ein weiches Ei mit knackigem Topinambur und Steinpilz-Mayonnaise, zum Beispiel
– und ein paar Klassiker. Sein Avocadobrot ist das beste: Reife Avocado in Scheiben geschnitten und über zwei Scheiben frisch gebackenem Roggenbrot aufgefächert, mit fein gehacktem Schnittlauch, frisch geriebener Zitronenschale, würzig-süßem Piment d'Espelette (Pfeffer aus Espelette), Meersalz und Olivenöl gewürzt. „All diese Gewürze sind eine Widmung an die Avocado“, sagt Bille Brahe, ein tiefsinniger, erfahrener Fine-Dining-Koch, der sich wünscht, dass sein Café ein Mittelding zwischen zu Hause und auswärts essen ist. Brahe hat auch Flaschen von Anders Frederik Steen, einem ehemaligen Noma Sommelier, auf Lager, der nun mit dem französischen Kult-Produzenten Jean-Marc Brignot Wein macht. Er nannte ihren ersten Tropfen „Süßer Anfang eines besseren Endes“.