Backen entstammt dem Herzen russischer Kultur. Es ist Tradition, Gäste mit Brot und Salz willkommen zu heißen, und ein russisches Sprichwort besagt: “Brot ist die Krönung des Ganzen.” Kleine Läden verkaufen mürbe weiße Brötchen, derbes Roggenbrot oder mehrschichtige Honigkuchen für die Festtage - das alles in einer Stadt, in der das Brot sogar die moderne Architektur inspiriert hat. Die modernen Konditoreien der Stadt bieten verschiedene Produkte zu unterschiedlichen Preisen an. Ob Sie Zimt-Donuts oder Bagels aus Vollkorn suchen, seien Sie sicher, dass Sie diese irgendwo in Moskau finden werden.
Im neunzehnten Jahrhundert schrieb Graf Sheremetev aus Frankreich an den Dichter Alexander Puschkin: “Es ist nicht leicht in Paris zu leben … vergebens sucht man Schwarzbrot.” Schwarzbrot, aus Roggenmehl gemacht, war in Russland lange vor der französischen Baguette bekannt. Die Einwohner von Moskau lieben vor allem das dunkle, süßliche Borodinsky Brot, das mit Koriander und Sirup hergestellt wird. Einigen Berichten zufolge soll dieses Brot zuerst von Klosterschwestern in der Nähe von Borodino hergestellt worden sein, der Name des Brots erinnert tatsächlich an Borodino, der grausamen Schlacht Napoleons aus dem Jahr 1812 gegen die russische Armee, die Leo Tolstoi in seinem epischen Roman Krieg und Frieden beschreibt.
Einige der palastartigen Stationen der Moskauer U-Bahn weisen Wandgemälde mit erntebezogenen Themen auf, so ist der Mittelpfeiler der Eingangshalle der Kurskaya Station etwa eine riesige Weizengarbe. Eines der bekanntesten Moskauer Denkmäler, Vera Mukhinas 25 Meter große Plastik aus rostfreiem Stahl - Arbeiter und Kolchosbäuerin - zeigt eine Frau aus einer sowjetischen Kolchose, die eine Sichel gen Himmel erhebt. In der Staatlichen Galerie Tretyakov ist eine weitere Plastik von Mukhina aus dem Jahr 1939 aufgestellt, die zwei nackte Frauen aus Bronze zeigt, die einen Ährenbündel hochhalten. Der Name der sozialistisch-realistischen Skulptur ist einfach Brot.
Der ausgedehnte ‘Gartenring’ zieht am Eingang vorbei, voller Verkehr und scheppernder Trolleybusse während der beinahe ununterbrochenen Spitzenverkehrszeiten Moskaus. Treten Sie jedoch in die Wolkonsky Konditorei ein, an der Ecke zur Malaya Bronnaya Ul, werden Sie in eine andere Welt eintauchen. Jeden Morgen gibt es frisches Brot und die Luft duftet nach Karamell und Marzipan. Elegante Kunden stehen Schlange für Himbeer- und Pistazienmacarons oder sitzen auf seidenüberzogenen Stühlen, um ihren Cappuccino zu genießen.
Der Pariser Bäcker Eric Kayser verkauft Brot in der ganzen Welt, von New York bis Tokyo, aber seine Wolkonsky Bäckereien in Moskau, St. Petersburg und Kiew bieten das Beste der Russischen Backkunst neben Französischer Patisserie. Mit einer mehr als zehnjährigen Geschichte und verschiedenen Zweigstellen in Moskau, bietet diese Konditorei- und Bäckereikette der oberen Klasse alles, was das Herz begehrt, von den traditionellen mit Mohn bestreuten Brötchen bis zu Feingebäck mit Blaubeeren. Aber es gibt nicht allein süße Leckereien, sondern auch knusprige Ciabattas mit Basilikum und Oliven oder Blätterteigrollen mit Würstchen nach russischer Art.
Garbenmotive zieren die Pavillons, Laternenmaste und Springbrunnen des vor kurzem renovierten, das Moskauer Stadtbild prägenden Ausstellungsgeländes, es ist eine Meile architektonischen Exzesses zu Ehren der Sowjetischen Industrie. VDNKh, das man mit All-russische landwirtschaftliche Ausstellung übersetzen kann, wurde zum ersten Mal im August 1939 als volkstümliche landwirtschaftliche Ausstellung eröffnet. Heute werden dort jedes Jahr an die hundert internationale Handelsmessen abgehalten, einschließlich eines jährlichen Treffens der Bäcker und Konditoren.
Ein spektakulärer Brunnen vor dem zentralen Pavillon, mit sechzehn goldenen Frauen um eine monumentale Korngarbe, ist der “Freundschaft der Nationen” gewidmet: Am anderen Ende erhebt sich eine riesige schimmernde Korngarbe aus dem See. Dazwischen liegen Museen, Geschäfte, ein städtischer Bauernhof, eine Wostok-Rakete und zahlreiche kunstvolle Bauten. Der Ukrainische Pavillon ist mit Alabasterplatten und goldenen Zacken verziert, über dem Tor befinden sich Garben, an den Wänden pflanzliche Motive aus Keramik. Eine gigantische metallene Krone aus Kräutern und Blumen ziert das Dach. Nicht weit davon winden sich Früchtegirlanden aus Majolika um die Pfeiler der Belorussischen Halle.
Auch das Speiseangebot auf der VDNKh ist umwerfend. Sie können Khinkali-Teigtaschen unter der Kuppel des armenischen Pavillons kosten oder den frisch gefangenen Fisch in einem Holzcottage am Seeufer essen. Es gibt würzige chinesische Nudeln, frittierte krimtatarische Tschebureks, Tintenfische, Pfannkuchen mit Blaubeeren und zweihundert verschiedene Sorten Tee.
Die sowjetische Mechanisierung brachte einige interessante Gebäude hervor, und diese industrielle Architektur inspirierte ihrerseits die zeitgenössische Stadtplanung. Eine konstruktivistische Brotfabrik ist eine der letzten Überbleibsel der Moskauer Vergangenheit, die in der Stadt ein neues Leben findet. Es sind bereits Cafés und Kunstgalerien in der alten am Flussufer gelegenen Schokoladenfabrik Roter Oktober untergebracht, und die großangelegte, farbenprächtige Winzavod Winery.
Jetzt wird die gigantische, zylinderförmige Brotfabrik aus den dreißiger Jahren, die einst als Brotfabrik Nummer 5 am Fließband bis zu 250.000 Brote am Tag herstellte, zu einem ‘Kulturcluster’, in dem sich auch ein Brotmuseum befindet. Das Projekt für die neue Anlage, die auch hohe Glastürme vorsieht, umfasst einen Bauernmarkt, wo lokale Produkte verkauft werden.
Die Brotfabrik, die seinerzeit errichtet wurde, um die kämpferischen Arbeiter des Presnensky Distrikts zu ernähren, steht auf einem geschichtsträchtigen Gelände. Dichter und Revolutionäre liegen dicht beieinander im nahen stimmungsvollen Vagankovskoe Friedhof begraben. Der russische Schauspieler, Sänger und Liederkomponist Vladimir Vysotsky ist dort bestattet. Seine Statue ist in eine Art Leichentuch gewickelt, mit einer Gitarre auf seinem Rücken, und seine Fans legen noch heute Blumen auf sein Grab. Zur Rechten, unter einer seltsamen metallenen Palme, steht die kopflosen steinerne Statue einer Frau, die anscheinend das Grab einer Straßendiebin aus dem neunzehnten Jahrhundert kennzeichnet, Sonya Golden Hand.
Jahrhundertelang backten Mönche in Russland ihr eigenes Brot, bis die Sowjets die Klöster schlossen oder einem anderen Zweck zuführten. Heute wird wieder Brot im Danilow Kloster gebacken, dem Amtssitz des Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche, bewacht von Kosaken in Uniform. Hier kann man frisches Brot bei den Kiosken neben der Kirche mit der goldenen Kuppel an der hohen weißen Mauer des Klosters kaufen. 1930, als das Gebäude in ein Jugendgefängnis umgewandelt wurde, kaufte ein amerikanischer Unternehmer die achtzehn Turmglocken des Eingangs und übergab sie der Harvard Universität. Auf diese Weise vor dem Schmelzen gerettet, wurden die Glocken 2008 zurückgebracht.
Fürst Daniel gründete das Kloster im dreizehnten Jahrhundert, somit handelt es sich um Moskaus ältestes Kloster, auch wenn die Bauten nicht so alt sind. Die schöne Kathedrale der heiligen Väter aus dem siebzehnten Jahrhundert hat verschiedene Kapellen auf zwei Ebenen, gefüllt mit Weihrauch und Wachskerzen. Joseph Bové, der Architekt des Bolschoi-Theaters, entwarf die angrenzende neoklassische Dreifaltigkeitskathedrale.
Die Mönche des Danilow-Klosters produzieren an die fünftausend Brote am Tag, sie verwenden dazu Weizenmehl aus klostereigenem Anbau, der sich in der Nähe von Ryazan befindet, 100 Meilen südöstlich von Moskau. Der landwirtschaftliche Betrieb des Klosters hat auch eine Imkerei und der Verkauf der Produkte erfolgt in einem eigenen Shop. In der kleinen Klosterkantine werden heiße Getränke und zwölf verschiedene Arten von hausgemachten Torten serviert.