Nach der Wiedervereinigung konzentrierte sich der Hype um Berlin weitgehend auf die Innenstadt des ehemaligen Ostens. Ehemalige DDR-Bezirke einschließlich Mitte, Friedrichshain und Prenzlauer Berg wurden immer angesagter. Aber in den letzten Jahren hat sich der Fokus der Medien wieder leicht zurück in Richtung City-West (meist Charlottenburg-Wilmersdorf) verschoben. Vor allem dank einer umfassenden Renovierung der Gegend um den Bahnhof Zoo, die eine Reihe von neuen gehobenen Hotels - z.B. das funky 25Hours Hotel Bikini und die angeschlossene Concept Mall und das Waldorf Astoria - sowie neue Restaurants, Cafés und Geschäfte entstehen ließ. Der neue Blick auf den Westen hat auch neues Interesse im Bereich der Esskultur hervorgebracht, die durch die Geschichte der Einwanderung in diesem Teil der Stadt seit langem vielfältige Anreize bot. In den 1920er Jahren ließen sich so viele Russen im westlichen Bezirk Charlottenburg (darunter auch der Schriftsteller Vladimir Nabokov) nieder, dass es den Spitznamen Charlottengrad erhielt. In den 1960er und 1970er Jahren erfolgte in West-Berliner Vierteln wie Kreuzberg, Neukölln und Wedding ein großer Zustrom von Gastarbeitern aus der Türkei und dem Nahen Osten, so dass das Kreuzberger Viertel rund um das Kottbusser Tor „Klein-Istanbul“ getauft wurde. Heute ist das Gebiet bekannt für seine Gemeinschaften aus Ost- und Mitteleuropäern, Afrikanern, Asiaten und Südamerikanern, von denen viele zu dem in West-Berlin aufkeimenden Foodscape beigetragen haben.
Die Ursprünge der russischen Gemeinde West-Berlins gehen auf die 1920er Jahre zurück, als viele vor der bolschewistischen Revolution in die politische und künstlerische Freiheit der damaligen Hauptstadt der Weimarer Republik flohen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entschieden sich viele russische Gefangene in West-Berlin zu bleiben, anstatt nach zu Hause zurückzukehren oder in den kommunistischen Osten auszuwandern. Viele Russen mit jüdischer Herkunft kamen in den 1970er und 1980er Jahren aus der UdSSR nach Berlin, noch mehr aber nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Heute leben rund 12.000 Russen in der Stadt, vor allem in den westlichen Bezirken einschließlich Charlottenburg-Wilmersdorf. Dort macht sich die hohe Konzentration in vielerlei Hinsicht bemerkbar, am meisten aber wohl in gastronomischer Hinsicht durch die vielen russischen Supermärkte. Angefangen von riesigen Geschäften im Lager-Stil bis hin zu kleineren Kiosken, sind diese Orte Beweis für die vielfältige und multikulturelle Küche Russlands, oft angereichert um Elementen aus der Mongolei und Ost- und Zentralasien, Persien und dem Baltikum. Neben Standardprodukten wie geräuchertem Fisch, Gurken und Sauerkraut, findet man hier in der Regel auch exotische Lebensmittel wie den georgischen Käse Sulguni, ukrainischen Salo (Rückenspeck) und viele Arten von Piroggen.
Obwohl Ost-Berlin besser für seine vietnamesische Gemeinde bekannt ist – eine Folge der Gastarbeiterverträge zwischen kommunistischen Ländern – sind seit langem auch viele andere ostasiatische Gemeinschaften, wie Taiwaner, Chinesen, Thailänder und Japaner im Westen der Stadt angesiedelt. Ihr kulinarisches Erbe ist überall verstreut,doch eine besonders dichte Anhäufung findet sich entlang der Kantstraße. Die lange, breite Straße verläuft parallel zu ihrem größeren, glamourösen Schwester-Boulevard, dem Kurfürstendamm (Ku'damm). Auf beiden Seiten ist die Kantstraße von einer Vielfalt an Betrieben gesäumt, von teuren Design-Shops über staubige, längst vergessene Kneipen bis hin zu asiatischen Restaurants, die in regelmäßigen Abständen immer wieder dazwischen angesiedelt sind. Im beliebten Lon-Men’s Noodle House - dem einzigen taiwanesischen Restaurant in Berlin - finden Feinschmecker saftige Wontons und exquisite Nudelsuppen. Die chinesischen Restaurants Aroma und Good Friends bieten eine erstaunliche Auswahl an (meist kantonesischen) Gerichten, von geschmorten Enten-„Klauen“ bis Garnelen-Dim Sum – ganz nach Ihrem Geschmack. Dao - das als eines der besten Thai-Restaurants in der Stadt gilt - schafft eine traditionelle Küche mit gedämpftem ganzem Fisch mit Zitronensauce, aus Zutaten, die aus Thailand eingeflogen werden. Wenn Sie lieber zu Hause zu kochen, gehen Sie zu Go Asia, das eine Fülle an asiatischen Zutaten (wie gefrorene Entenzungen und endlose Sorten von Kimchi), sowie indonesische und indische Gewürze bietet.
Einer der jüngsten Einwanderungstrends in Berlin mag viele überraschen: Israelis. Tatsächlich hat sich die jüdische Bevölkerung der Stadt von unter 6.000 im Jahr 1990 auf schätzungsweise 50.000 vergrößert. Viele dieser Israelis sind junge Menschen, die die zeitgenössische deutsche Hauptstadt als offenen und toleranten Ort sehen, der einen günstigen Lebensstil, gute Universitäten, viele unternehmerische Möglichkeiten, aber auch ein pulsierendes Nachtleben bietet.
Ein Beweis für diesen Zustrom ist Gordon, ein schickes, entspanntes Café mit Plattenladen in einer ruhigen Seitenstraße im trendigen Stadtteil Neukölln. Das kulinarische Kleinod wird von Doron Eisenberg und Nir Ivenizki geführt, die ihre charmante, urban-rustikale Einrichtung – Holzmöbel im Flohmarkt-Stil, unverputzte Ziegelwände und viel Blattwerk – selbst entworfen haben. Die Speisekarte bietet beliebte israelische Snacks wie Shakshuka und Sabih (ein Sandwich mit Ei und Auberginen sowie Tahini und Gurken) und eine feurige heiße Soße namens Skhug, die mit Kaffee aus der lokalen Barn Roastery heruntergespült werden kann.
Auch wenn sie als West-Berliner Kongresshalle ins Leben gerufen wurde, ist das Haus der Kulturen der Welt (HKW) heute eine der fortschrittlichsten Berliner Institutionen. Sie spricht die global ausgerichtete, multikulturelle Bevölkerung der Stadt an. Das Haus liegt am Rande des weitläufigen Tiergartens, nicht weit vom Reichstag und dem damit verbundenen Regierungsgebäude entfernt. Das architektonisch markante Gebäude (sein lokaler Spitznamen ist die „Schwangere Auster“) wurde vom amerikanischen Architekten Hugh Stubbins für die Internationale Bauausstellung (Interbau) im Jahr 1957entworfen. Es wurde bald darauf der Stadt Berlin als eine Geste der kulturellen und politischen Unterstützung gespendet und während des Kalten Krieges für politische Zwecke wie z.B. der Rede von Präsident Kennedy 1963 genutzt. Nach dem Fall der Mauer wurde es zum HKW, einem bedeutenden kulturellen Raum mit Theater, Museum, Galerie, Vortragssaal und vielem mehr, und konzentrierte sich auf einen kreativen interkulturellen Austausch. Sein zentrales Auditorium fasst bis zu 1.000 Personen und bietet eine beeindruckende Reihe von künstlerischen, philosophischen und wissenschaftlichen Veranstaltungen, in Form von Ausstellungen, interaktiven Projekten, Workshops, Vorträgen und Symposien. Zu den am bekanntesten Veranstaltungen gehören der Internationale Literaturpreis, das Berlin Documentary Forum und das digitale Kunst- und Musikfestival Transmediale.